Reportage

IM HAMBURGER SWING LIFE TREFFEN SICH GUT 70 JUNGE MENSCHEN ZUR PLAYPARTY. ES GEHT UM SEX MIT ANDEREN LEUTEN. FABIAN UND LEONIE MACHEN MIT – ZUM ERSTEN MAL.

 

Das Zimmer ist groß, mit blauen Teppichwänden. Gemusterte Stoffbahnen vor den Lampen an der Decke tauchen es in gedämpftes Licht. Ein Podest mit sechs großen Matratzen füllt den Raum. Darauf liegen vier Paare. Alle haben Oralsex. Schmatzen ist zu hören. Leises Stöhnen, mehr wie ein Seufzen. Die Luft ist warm, es riecht dezent nach frischen Handtüchern – wie in einem Wellnessruheraum.

 

Das Swing Life ist ein kleines, rotes Gebäude im Osten Hamburgs. Es steht zwischen dreistöckigen Wohnhäusern und einem Aldi. Hier finden in unregelmäßigen Abständen Swinger-Partys für junge Leute bis 35 Jahren statt. Playparty heißt das. Gut 30 Paare und ein paar Singles sind an diesem Samstagabend zum Spielen gekommen. Sie alle wollen Sex. Aber nicht mit jedem.

Leonie, blonde Haare, rundes Gesicht, Stupsnase, ist 23 Jahre alt und damit eine der Jüngsten. Sie trägt ein weißes Kleid mit Blumenmuster. Gemeinsam mit ihrem Freund Fabian, 26, sportliche Figur, weicher Händedruck, große Nase, sitzt sie auf einer Ledercouch und mustert die Gäste. Das Paar ist zum ersten Mal auf einer Playparty.

 

„Wir beobachten erst mal und schauen was passiert“, sagt Leonie.

 

Seit sieben Jahren sind die beiden ein Paar. Mit ihrer Schäferhündin Emma wohnen sie auf einem Bauernhof in Schleswig-Holstein. Sie planen die Zukunft zusammen. Beide hatten noch nie Sex mit jemand anderem. Daher wollen sie beim Swingen die Chance nutzen, sich mit anderen Partnern sexuell ausprobieren.

 

„Es wäre doch schade, wenn wir unsere besten Jahre verschwenden“, sagt Leonie. 

Im Erdgeschoss des Swing Life gruppieren sich Sessel und Sofas um die kleine Bar. Rotes Tüll hängt vor den Fenstern. Der Teppichboden verströmt Kellergeruch. In einer Ecke steht ein Plastikbaum mit Lichterkette. Aus den Boxen wummert Elektropop.

 

 

An der Treppe ins Obergeschoss hängt ein Schild. Wer ficken will, muss freundlich sein, steht da. Oben gehen von einem langen Flur aus die Spielzimmer ab. Wasserbett, Himmelbett, Darkroom, Sadomaso-Zimmer, mit Terrakotta geflieste Duschen, eine kleine Sauna. Alles sehr gepflegt. Die Musik ist hier eine andere, sanftere. Am Ende des Gangs befindet sich der größte Raum – die Spielwiese.

Jana und Michael – sie Anfang, er Ende Dreißig – sind seit sechs Jahren verheiratet. Vor neun Jahren haben sie sich in einer Swinger-Bar kennen gelernt. Auf der Playparty treffen sie gut befreundete Paare, mit denen sie auch schon im Urlaub waren. Vergangenes Wochenende haben sie gemeinsam eine neue Gartenhecke gepflanzt. Anschließend wurde gegrillt.

 

„Wir haben jetzt den Rollrasen verlegt“, sagt Michael in die Runde. „Eigentlich wollten wir auch noch einen Schwimmteich bauen, aber das war zu teuer.“ Die anderen nicken. Jana drückt ihren Po gegen den Schoss eines Freundes, krault seinen Rücken, küsst ihn auf die Wange, während Michael mit ihm über den neuen Star Trek Film redet. Auf den Swinger-Partys sucht Jana die Partner aus – Frau oder Mann – und verständigt sich dann mit Michael, ob die Person in Frage kommt.

„Janas Männergeschmack kann ich nie einschätzen“, sagt Michael und lacht. Vom kleinen Spanier mit Rasta Zöpfen bis zum großen, muskulösen Sportlertyp sei alles möglich. Hauptsache sympathisch. Fünfer-Kombinationen mit drei Männern haben sich bewährt. Als Mann kann man sich dabei zurücknehmen und schauen, wie die Freundin auf andere reagiert, was ihr gefällt, sagt Michael. Ihn törnt das an. „Man muss gönnen können“, erklärt er. Und viel miteinander reden. „Anfangs haben wir uns nach den Partys stundenlang darüber ausgetauscht, was uns gefallen hat.“ Heute geht die Verständigung schneller. Meist reicht schon ein Blick.

 

Jana und Michael haben jetzt Lust bekommen. Allerdings nur auf einander. Sie gehen nach oben. „Vögeln“, wie sie sagen.

Es ist kurz nach Mitternacht, dreieinhalb Stunden nach Türöffnung. Auch Leonie und Fabian haben genug beobachtet. Sie gehen nach oben auf die große Spielwiese. Im Zimmer ist es heiß und stickig. Es riecht schon längst nicht mehr nach Handtüchern, sondern nach abgestandener Luft. Eine Frau lutscht ihrem Freund den Schwanz. Dabei rammt sie sich den Penis so weit in den Mund, dass sie alle dreißig Sekunden laut japsend nach Luft schnappen muss. Daneben werden zwei Frauen geleckt. Sie stöhnen laut und tief.

 

Fabian und Leonie legen sich ganz nach hinten auf die Spielwiese und fangen mit ihrem Vorspiel an. Kurz darauf tastet sich ein Single-Mann zu ihnen vor. Große Statur, gepflegter Drei-Tage-Bart, breites Kinn. Er legt seine Hand auf Leonies Rücken. Als ihn niemand zurückweist, fängt er an sie zu streicheln. Während Leonie Fabian einen bläst, zieht der Fremde seine Hose aus. Das T-Shirt behält er an. Dann hebt er Leonies Kleid hoch und dringt von hinten in sie ein.

Etwas später sitzen Leonie und Fabian wieder auf der Ledercouch. Beendet haben sie den Sex zu zweit. Ohne den fremden Mann. Trotzdem: Der erste Dreier ihrer Beziehung liegt hinter ihnen. War es so, wie sie es sich vorgestellt haben? Beide lächeln. Und nicken.

 

„Man tastet sich langsam vor, probiert neue Sachen aus“, erklärt Michael. Am Anfang hätte Jana zu schnell zu viel gewollt. Das hat ihn verletzt. Mittlerweile sind sie wieder auf einem Level. „Wir können Liebe und Sex sehr gut trennen“, sagen sie.

 

Es ist halb zwei Uhr morgens. Frisch geduscht stehen Jana und Michael an der Bar. Sie verabschieden sich von ihren Freunden. „Für uns war nichts dabei“, sagen sie. Jetzt geht es nach Hause. Morgen fahren sie in den Heidepark Soltau. Ein Vergnügungspark – ganz ohne Sex.